Die Leere zwischen den Sternen

(übersetzt und abgewandelt von A Torch in the Darkness von Nate Soares)

Ich glaube nicht, dass unsere Geschichte gut ausgeht. Ich glaube nicht, dass die Menschheit überleben wird.

Manche Leute sagen gern: “Ach, es wäre eigentlich sowieso besser, wenn wir aussterben würden.”

Ich muss das einmal klarstellen. Es wäre nicht besser. Es wäre überhaupt nicht gut.

Stell dir ein kleines Mädchen vor, dass auf die Straße läuft, um ihren Hund zu retten. Stell dir vor, wie sie ihn hochhebt und in die Arme schließt – nur um Sekunden später überfahren zu werden. Stell dir vor, dass sie gerade noch lang genug lebt, um schreckliche Schmerzen zu empfinden.

Wir können uns das vorstellen, doch das ganze Ausmaß der Tragödie bleibt uns verborgen. Wir kennen das wunderbare Innenleben dieses Kindes nicht, ihr Potential, ihre Gefühle und Hoffnungen. Wir können einen anderen Menschen mit all seiner Komplexität nicht in unserer Vorstellungswelt erfassen.

Wir können nur einen flüchtigen Blick auf das erhaschen, was verloren geht – wenn ein einziger Mensch stirbt.

Wer kann ernstlich behaupten, es wäre gut, wenn jeder einzelne Mensch vergehen würde?

Wenn sich manche Leute das Ende der Menschheit ausmalen, stellen sie sich eine Art romantische Tragödie vor, in der Hass, Geiz, Habgier und all die anderen schlimmen Eigenschaften ihr Ende finden. Eine Spezies, die von Anfang an nicht würdig war, auf diesem Planeten zu leben, wird ausgelöscht. Ein trauriges, aber irgendwie gerechtfertigtes und ergreifendes Ende unserer Geschichte, so könnte man sagen.

Und ich muss zugeben, es gibt viele Aspekte der menschlichen Natur, die wir besser hinter uns lassen, bevor wir zu fernen Galaxien aufbrechen. Aber in unserer Natur liegen auch all das, was wir mitnehmen sollten: Schönheit. Neugierde. Liebe. Das Potential zu Wachstum und Lebensfreude. Das sind die Anlagen, die wir in die kalte Nacht oben bei den Sternen mit uns tragen können.

Eine Trägodie wird erst dann greifbar, wenn man sie von Nahem betrachtet. Es ist viel schwieriger, hundert ahnungslose, hilflose Menschen mit einem Messer zu töten, als auf den Knopf zu drücken, der die Bomben fallen lässt. Unser Hirn ist schlecht im Umgang mit großen Zahlen. Wir können uns eine zerstörte Stadt vorstellen und tatsächlich glauben, dass es nicht so schlimm ist, wir können sogar das Bild eines verlassenen, toten Planeten heraufbeschwören und uns einreden, “irgendwie haben wir es verdient.”

Aber wenn wir näher darüber nachdenken, was das eigentlich BEDEUTET, wenn wir versuchen, zu begreifen, wie viele Leben ausgelöscht wurden, wie viele Kinder getötet, wie viele Funken menschlicher Freude und Neugier für immer erstickt … dann übersteigt das unsere düsterste Vorstellungskraft.

Die Auslöschung der Menschheit wäre eine unfassbare Katastrophe.

Und doch stirbt die Menschheit gerade jetzt, in dem Moment, in dem ich diese Worte spreche.

Jeder Einzelne von uns marschiert auf seinen Tod zu. Die meisten haben sich bereits damit abgefunden. Wie oft stirbt auf der Erde ein Mensch? Etwa zweimal pro Sekunde. Das bedeutete, zehn Menschen sind gestorben, während ich diesen Satz gesagt habe. Zu schnell für Betroffenheit, zu schnell, um sich bewusst zu machen, dass jeder von ihnen ein intelligenter Mensch war. Ein Verwandter. Ein denkendes, fühlendes Wesen, das unser aller Erbe in sich trägt. Jemand, der Hoffnungen und Ängste hatte, der vielleicht liebte und geliebt wurde. Genauso einzigartig wie die Menschen, die jedem von uns am nächsten stehen.

Und auch wenn wir diese Menschen nie kennenlernen werden, sind in diesem Satz wieder zehn von ihnen gestroben. Und wir haben nicht einmal Zeit, um sie zu trauern.

Einhundertfünfzigtausend Menschen sterben pro Tag. Eine Million Menschen sterben pro Woche. Wer kann diese Trägodie erfassen? Und wer kann ernsthaft behaupten, sich den Wert der gesamten Welt vorstellen zu können?

Diese Schrecken sind buchstäblich unbegreiflich.

Denken wir an jene, an denen der Tod vorübergeht, so sind auch sie nicht in Sicherheit. Die Grausamkeiten, die jene erdulden müssen, die leben, übertreffen manchmal sogar den Tod. In diesem Moment werden irgendwo auf der Welt Menschen gefoltert. Missbraucht. Vergewaltigt. Verletzt. Menschen werden von Krankheiten heimgesucht, sie leiden an Hunger, Durst und Kälte. Manche sind einsam, werden gequält von Ängsten oder Depression, die ihnen alle Freude rauben.

Jeder einzelne von uns altert. Selbst wenn wir all den anderen Leiden entgehen können, sind wir doch dazu verdammt, in unserer eigenen Haut zu vergehen, bis unser Geist versagt und unser Körper geschwächt den Kampf aufgibt.

Das heißt nicht, dass unser Leben nur aus Leid besteht. Wir schließen Freundschaften, erzählen Geschichten, kämpfen für das, was uns wichtig ist. Das Potential für das Gute überwiegt das Leid. Aber wir sind ein kleines Licht, umgeben von grenzenloser Dunkelheit. Und unser Licht könnte jederzeit erlöschen.

Vielleicht werden wir irgendwann Krankheit, Leid und Tod ein Ende setzen. Aber vielleicht werden wir auch einen Fehler machen, oder vielleicht wird all unser Streben einfach nicht ausreichen, und wir werden in den Abgrund blicken.
Was, wenn die Kälteperiode, die vor Zweihundertausend Jahren began, noch etwas härter gewesen wäre und auch die letzten sechshundert Homo Sapiens den Kampf ums Überleben verloren hätten?
Wie nah waren wir daran, uns selbst auszulöschen, als wir vor weniger als einhundert Jahren die Geheimnisse des Atoms entdecken?

Wir leben nicht in einem Märchen, das für die Helden stets gut ausgeht. Das ist kein Spiel, in dem der Schwierigkeitsgrad genau auf unsere Lernfähigkeit abgestimmt ist. Wir sind nur eine Spezies in kalten und gefühllosen Universum. Wir blicken blind in die Zukunft, und wir wissen nicht, welcher unserer Schritte der letzte sein wird.

Unbekannte Bedrohungen erwarten uns. Wie stehen die Chancen, dass wir jede einzelne überleben werden? Wie viele Zivilisationen schaffen es, die Gefahren ihres eigenen Heimatplanetens zu überleben, das Universum zu besiedeln und Galaxien mit Leben zu füllen? Wie viele werden ausgelöscht, ehe ihr Licht wirklich zu strahlen beginnt?

Wenn wir in den Nachthimmel blicken, sehen wir dort eine große Leere.

Das Universum ist ein gefährlicher Ort. Unsere Geschichte ist kein Märchen. Und wahrscheinlich wird sie nicht gut enden.

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