Trügerische Weisheit
(Eine gekürzte Übersetzung des genialen Kapitels 40 Pretending to be Wise, pt 2 in Harry Potter and the Methods of Rationality)
“Erkläre mir, Harry”, sagte Dumbledore mit einem sichtlichem Anflug von Verwirrung in der Stimme, der Blick gequält, “warum fürchten schwarze Magier den Tod so sehr?”
“Nun…”, sagte Harry, “Entschuldigung, aber hier muss ich den schwarzen Magiern zustimmen.”
“Was?”, fragte Dumbledore.
“Tod zu sein ist schlecht.”, sagte Harry. “Sehr schlecht. Extrem schlecht. Vor dem Tod Angst zu haben ist, als würde man vor einem großen, bösartigen Monster mit giftigen Hauern Angst haben. Es macht grundsätzlich sehr viel Sinn und ist tatsächlich kein Anzeichen eines psychologischen Problems.”
Der Schulleiter starrte ihn an, als hätte er sich gerade in eine Katze verwandelt.
“Gut”, sagte Harry, “lassen Sie es mich anders formulieren. Wollen Sie sterben? Falls dem so ist, gibt es da diese Muggel-Einrichtung namens Selbstmord-Notruf…”
“Wenn es an der Zeit ist”, sagte der alte Zauberer leise. “Nicht davor. Ich würde weder versuchen, das Unvermeidliche zu beschleunigen noch es hinauszuzögern, wenn es schließlich soweit ist.”
Harry runzelte die Stirn. “Das klingt nicht so, als hätten Sie einen sonderlich starken Lebenswillen, Schulleiter.”
“Harry…” Die Stimme des alten Zauberers klang inzwischen ein wenig hilflos. Zudem war er mittlerweile zu einem Punkt seines Büros geschritten, an dem sein silberner Bart, ohne dass er es bemerkt hätte, in ein kristallines Goldfischglas gerutscht war und langsam einen grünen Farbton anzunehmen begann, der stetig weiter nach oben kroch. “Ich denke, ich habe mich nicht klar genug ausgedrückt. Schwarze Magier sehnen sich nicht nach dem Leben. Sie fürchten den Tod. Sie strecken sich nicht dem Licht der Sonne entgegen, sie fliehen vor der heraufdämmernden Nacht in immer tiefere, selbst geschaffene Kavernen, jenseits des Mondes und der Sterne! Sie suchen nicht das Leben, sie gieren nach Unsterblichkeit und sie wären bereit ihr nicht weniger als ihre Seelen zu opfern! Willst du ewig leben, Harry?”
“Ja, ebenso wie Sie.” sagte Harry. “Ich will einen weiteren Tag leben. Morgen will ich ebenfalls einen weiteren Tag leben. Ergo will ewig leben. Q.E.D., Induktionsbeweis auf den natürlichen Zahlen. Wenn Sie nicht sterben wollen, wollen sie ewig leben. Wenn Sie nicht mehr weiterleben wollen, wollen Sie sterben. Entweder – oder… Sie verstehen mich nicht, oder?”
Zwei Welten starrten einander über einen Abgrund aus Unverständnis hinweg an.
“Ich habe einhundertundzehn Jahre gelebt”, sagte der alte Zauberer ruhig, während er seinen Bart aus der Schale zog und schüttelte, um die Farbe zu beseitigen. “Ich habe Vieles getan, noch mehr gesehen und vieles würde ich lieber vergessen. Und doch bereue ich es nicht am Leben zu sein; zu sehen, wie meine Schüler sich entwickeln und in die Welt ziehen ist eine Freude, der ich bisher nicht müde geworden bin. Doch würde ich den Tag nicht erleben wollen, an dem ich es werde! Was würdest du mit der Ewigkeit anfangen wollen, Harry?“
Harry atmete tief ein. “Alle interessanten Menschen auf der Welt treffen, alle guten Bücher lesen und etwas noch besseres schreiben, den zehnten Geburtstag meines ersten Enkels auf dem Mond feiern, den hundertsten Geburtstag meines Ur-Ur-Ur-Enkels in den Ringen des Saturns feiern, die letztgültigen Gesetze des Universums entschlüsseln, das menschliche Bewusstsein verstehen, herausfinden, warum überhaupt irgendetwas existiert, andere Sterne besuchen, fremdes Leben entdecken, fremdes Leben erschaffen, mich mit allen zu einem großen Fest am anderen Ende der Milchstraße verabreden, sobald wir sie komplett erkundet haben, mich mit jedem Treffen, der ebenfalls auf der Alten Erde geboren ist, um gemeinsam zu beobachten, wie die Sonne letztlich erlischt und bisher dachte ich, dass es schwierig werden könnte, aus diesem Universum zu entkommen, bevor die Entropie Überhand nimmt, aber diesbezüglich bin ich deutlich optimistischer geworden, seit ich herausgefunden habe, dass die sogenannten Gesetze der Physik eher ungefähre Richtlinien darzustellen scheinen.”
“Ich gebe zu, dass ich nicht viel von dem verstanden habe, was du beschreibst.”, sagte Dumbledore. “Doch ich muss dich fragen, ob du diese Dinge wirklich so verzweifelt begehrst oder ob sie nicht vielmehr nur Illusion sind, ein Traumbild, dass dir als Vorwand dient, nie zu ermüden in deinem Wettlauf mit dem Tode.”
“Das Leben ist keine endliche Liste von Dingen, die man abhakt, bevor man schließlich sterben kann.”, sagte Harry ernst. “Es ist das Leben, man lebt einfach weiter. Wenn ich diese Dinge nicht täte, dann alleine deshalb, weil ich etwas noch Besseres gefunden hätte, was ich an ihrer statt verfolgte.”
Dumbledore seufzte. Seine Finger trommelten auf das Blatt einer Uhr und während sie es berührten veränderten sich Ziffern zu einer kryptischen Schrift und die Zeiger deuteten kurzzeitig in andere Richtungen. “Im unwahrscheinlichen Fall, dass es mir vergönnt sei, meinen einhundertundfünfzigsten Geburtstag zu erleben”, sagte der alte Zauberer, “würde ich mich wahrscheinlich nicht beschweren. Doch zweihundert Jahre wären ohne Zweifel zu viel des Guten. Trauere nicht zu sehr um mich, Harry, wenn meine Zeit kommt. Ich werde mit jenen, die ich zu lange vermisst habe auf dem Weg zu unserem nächsten großen Abenteuer sein.”
“Oh!” Harry hatte eine plötzliche Einsicht. “Sie glauben an ein Leben nach dem Tod. Ich hatte den Eindruck gewonnen, dass Zauberer nicht religiös seien?”
“Wie kann man nicht daran glauben?!”, rief Dumbledore völlig entgeistert. “Harry, du bist ein Zauberer! Du hast Geister gesehen!”
“Geister.”, sagte Harry tonlos. “Sie meinen diese Erscheinungen, die Gemälde gleichen, zurückgelassene Erinnerungen und Verhaltensweisen ohne jedes Bewusstsein, in die Umgebung gebannt durch den Ausbruch von Magie, die den gewaltsamen Tod eines Zauberers begleitet?”
“Ich kenne diese Theorie.”, unterbrach der Schulleiter Harry scharf. “Verbreitet von Zauberern, die Zynismus mit Weisheit verwechseln, die denken, dass es einen erhebt, wenn man auf andere herabblickt. Es ist eine der armseligsten Ideen, die ich in 110 Jahren gehört habe. Ja, Geister lernen oder wachsen nicht, weil sie nicht hierher gehören! Seelen sollen weiterziehen, es gibt hier keine Zukunft für sie!”
“Nun gut.”, sagte Harry, während er versuchte, ruhig weiterzusprechen. “Ich höre mir ihre Argumente an, denn das ist es, was ein Wissenschaftler tut. Doch zuvor, Schulleiter, gestatten Sie mir, dass ich Ihnen eine kleine Geschichte erzähle.” Harrys Stimme bebte. “Wissen Sie, als ich mit dem Zug von King’s Cross hierher gefahren bin, nicht gestern, sondern damals im September, da hatte ich noch nie einen Geist gesehen. Ich habe sie nicht erwartet. Als ich sie aber sah, tat ich etwas sehr dummes. Ich zog voreilige Schlüsse. Ich, ich dachte es gäbe wirklich soetwas wie ein Leben nach dem Tod. Ich dachte niemand wäre jemals gestorben und ich dachte, dass jeder, den unsere Spezies jemals verloren glaubte, letztlich doch noch da sei, ich dachte Zauberer könnten mit ihnen reden, sie mit den richtigen Ritualen beschwören, ich dachte Zauberer wäre dazu in der Lage. Ich dachte, ich könnte meine Eltern treffen, die sich für mich geopfert hatten und ihnen sagen, dass ich von den Umständen ihres Todes erfahren hätte und…”
“Harry”, flüsterte Dumbledore. Tränen glänzten in den Augen des alten Magiers. Er kam einen Schritt auf Harry zu.
“Und dann”, spie Harry mit wütender Stimme dem Schulleiter entgegen, voll kaltem Zorn gegenüber der teilnahmslosen Grausamkeit des Universums und seiner eigenen Dummheit, “fragte ich Hermine und sie sagte, dass sie nur Abbilder sein, gebrannt in die Mauern des Schlosses durch den Tod eines Zauberers, wie die Silhouetten an den Wänden Hiroshimas! Und ich hätte es wissen müssen! Ich hätte es wissen müssen ohne zu fragen. Ich hätte es nicht einmal für dreißig Sekunden glauben dürfen. Denn wenn Menschen Seelen hätten, gäbe es keine Hirnschäden – wenn die Seele weiter kommunizieren könnte, nachdem das Gehirn zerstört wäre, würde der Verlust der linken Hirnhälfte nicht dazu führen, dass man die Fähigkeit zu sprechen verliert! Und als Professor McGonagall mir vom Tod meiner Eltern erzählte, wirkte sie nicht so, als wären sie nur auf einer langen Reise in ein fernes Land, so als wären sie vor 300 Jahren nach Australien ausgewandert und so würden Menschen handeln, wenn sie wirklich wüssten, dass sie nach dem Tod an einem anderen Ort sein werden. Es würde alles verändern, es wäre egal, dass jeder eine nahestehende Person im Krieg verloren hat. Es wäre tragisch, aber nicht von solch elementarer Grausamkeit! Und ich habe bereits gesehen, dass die Menschen in der Zaubererwelt nicht so handeln. Also hätte ich es besser wissen sollen. Und in diesem Moment wusste ich, dass meine Eltern für immer tot bleiben würden. Dass nichts von ihnen übrig ist und dass ich nie die Chance haben werde sie zu treffen und, und… die anderen Kinder dachten ich würde weinen, weil ich Angst vor Geistern hätte!”
Dumbledore schien mit sich zu ringen. “Harry”, sagte der alte Zauberer mit lauter werdender Stimme,”Du begibst dich auf einen gefährlichen Pfad und ich bin nicht sicher, ob ich das Richtige tue wenn ich dir das Folgende sage, doch ich muss dich von diesem Weg abbringen! Harry, wie hätte Voldemort seinen Tod überleben können, wenn sein Körper nicht über eine Seele verfügte?”
Und in diesem Moment realisierte Harry, dass es genau eine Person gab, die Professor McGonagall ursprünglich gesagt hatte, dass der Dunkle Lord noch am Leben sei und dabei handelte es sich um den wahnsinnigen Schulleiter dieser psychiatrischen Anstalt von einer Schule, der dachte, dass der Gang der Welt ausschließlich durch Klischees bestimmt wurde.
“Gute Frage”, sagte Harry nachdem er einige Sekunden über das weitere Vorgehen nachgedacht hatte. “Möglicherweise fand er einen Weg, die Kraft des Steins der Auferstehung zu kopieren, nur dass er ein vollständiges Abbild seines Gehirns speicherte. Oder so etwas in der Art.” Harry war sich auf einmal nicht mehr sicher, ob er gerade nach einer Erklärung für etwas suchte, das überhaupt stattgefunden hatte. “Ehrlich gesagt, können Sie mir nicht einfach alles sagen, was Sie darüber wissen, wie der Dunkle Lord überlebt hat und was es braucht, um ihn möglicherweise zu töten?” Sofern er tatsächlich jenseits der Schlagzeilen des Klitterers existiert.
“Mich kannst du nicht täuschen, Harry.”, sagte der Schulleiter, sein Gesicht wirkte mit einem mal sehr erschöpft, gezeichnet von mehr als nur der Last des Alters. “Ich weiß, weshalb du diese Frage stellst. Du versuchst hinter das Geheimnis des Dunklen Lords zu kommen, um es für dich zu nutzen!”
“Falsch! Ich will das Geheimnis der Unsterblichkeit Voldemorts, um es allen zuteil werden zu lassen!”
Albus Percival Wulfric Brian Dumbledore starrte Harry entgeistert und mit geöffnetem Mund an.
(Harry machte einen gedanklichen Haken an diesem Montag, da es ihm heute gelungen war, jemandes Weltbild so derartig zu erschüttern.)
“Und nur damit keine Missverständnisse entstehen:”, sagte Harry, “mit jeden meine ich auch alle Muggel, nicht nur Zauberer.”
“Nein,” sagte der alte Zauberer und schüttelte den Kopf. Seine Stimme wurde lauter. “Nein, nein, nein! Das ist Wahnsinn!”
Das Gesicht des Schulleiters war gezeichnet von Sorge und Zorn. “Seine Unsterblichkeit ist das Ergebnis eines Rituals, so finster und schrecklich, schwärzer als die dunkelste Nacht! Und es war Myrte, die arme, unschuldige Myrte, die sterben musste, denn seine Unsterblichkeit forderte ein Opfer, sie forderte Mord -”
“Nun, offensichtlich werde ich keine Methode die Unsterblichkeit zu erlangen popularisieren, die Mord erfordert! Das würde allem zuwiderlaufen, was ich gerade gesagt habe!”
Eine irritierende Pause entstand.
Langsam wich der Zorn aus Dumbledores Gesicht, doch die Sorge blieb. “Du würdest kein Ritual durchführen, das ein menschliches Opfer benötigt.”
“Ich weiß nicht, für was Sie mich halten, Schulleiter,” sagte Harry kalt, nun selbst zornig. “Aber ich möchte Ihnen nochmals ins Gedächtnis rufen, dass ich derjenige bin, der für das Leben ist. Derjenige, der alle retten will. Sie sind derjenige, der den Tod verehrt und denkt, dass jeder Mensch sterben sollte.”
„Ich bin ratlos, Harry“, sagte der alte Zauberer. Seine Füße begannen ein weiteres Mal im Büro auf und abzuschreiten. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“ Er nahm eine Kirstallkugel, in derem Inneren sich eine von Flammen umwogte Hand zu befinden schien, und blickte sie niedergeschlagen an. „Außer, dass du mich vollständig missverstehst. Ich will nicht, dass jeder Mensch stirbt.“
„Sie wollen nur nicht, dass irgendjemand Unsterblichkeit erlangt.“, stellte Harry sarkastisch fest.
Dumbledore nickte. „Ich mache mir weniger Sorgen um dich als zuvor, aber meine Ängste sind nicht zerstreut.“, sagte er leise. “Die Angst vor dem Tode verbittert, sie ist eine Krankheit der Seele, die Menschen zu verdrehten und zerstörten Gestalten mutieren lässt. Voldemort ist nicht der einzige Schwarzmagier, der diesen Weg einschlug, auch wenn ich befürchte, dass er ihn weiter gegangen ist als jeder vor ihm.”
“Und Sie denken, Sie hätten keine Angst vor dem Tod?”, fragte Harry, der nicht einmal versuchte, die Ungläubigkeit in seiner Stimme zu unterdrücken.
Das Gesicht Dumbledores war friedlich. “Ich bin nicht perfekt, Harry, aber ich denke, dass ich den Tod als Teil von mir akzeptiert habe.”
“Also…”, begann Harry, “Sehen, sie, es gibt dieses Phänomen namens kognitive Dissonanz. Wenn man alle Menschen einmal pro Monat mit einem Knüppel verprügeln würde und sie nichts dagegen tun könnten, würde es schon nach kurzer Zeit alle möglichen Philosophen geben, die “ Zynismus mit Weisheit verwechseln ”, wie sie es sagen, die eine ganze Reihe von großartigen Vorteilen entdeckt haben, die eine gute Tracht Prügel bringt. Zum Beispiel härtet es ab und man weiß die Tage mehr zu schätzen, an denen man nicht verprügelt wird. Aber fragen Sie einmal jemanden, der bisher nicht mit einem Knüppel verprügelt wird, ob er sich auf diese großartige Tradition einlassen will, im Austausch für alle diese wunderbaren Vorzüge. Er würde “nein” sagen. Und wenn Sie nicht sterben müssten, wenn Sie von irgendwoher stammen würden, wo niemand auch nur vom Tod gehört hat und ich Sie davon zu überzeugen versuchte, dass es eine absolut großartige Idee sei, schwächer zu werden, zu altern und letztlich vollständig aus der Realität getilgt zu werden – sie würden mich in die Psychatrie einweisen! Also warum sollte irgendjemand auf die vollkommen wahnwitzige Idee kommen, den Tod zu begrüßen? Weil Sie Angst davor haben. Weil Sie nicht wirklich sterben wollen und dieser Gedanke so sehr schmerzt, dass Sie ihn irgendwie wegrationalisieren müssen, die Beklemmung von sich schieben wollen, Sie nicht mehr mit diesem Wissen funktionieren können -”
“Nein, Harry”, sagte der alte Zauberer. Güte zeichnete sein Gesicht und seine Hand fuhr durch ein leuchtendes Wasserbasin, wobei jeder seiner Finger harmonische, glockengleiche Töne widerhallen ließ. “Doch ich verstehe, weshalb du so denkst.”
“Wollen Sie den Dunklen Lord verstehen?”, fragte Harry, seine Stimme hart und ernst. “Dann gehen Sie in sich und betrachten den Teil Ihrer selbst, der nicht dem Tode, sondern der Angst vor ihm zu entfliehen versucht. Der diese Angst so unerträglich findet, dass er den Tod willkommen heißt, der versucht eins mit der Nacht zu werden, sodass er sich als Herr über den Abgrund feiern kann. Sie haben das größte aller Übel genommen und es Gut geheißen. Nicht viel absonderlicher wäre es, wenn dieser Teil von Ihnen Unschuldige töten würde und es Freundschaft hieße. Wenn sie den Tod über das Leben erheben können, können sie Ihren moralischen Kompass beliebig verdrehen -”
Er hielt inne. Wenn sie wirklich an ein Leben nach dem Tod glaubten, würden sie nach St. Mungos fahren und Nevilles Eltern töten, so dass sie sich auf den Weg zu ihrem “nächsten großen Abenteuer” machen könnten –
Harry gelang es mit Mühe und Not, diesen Kommentar für sich zu behalten. “Nun gut”, sagte er kalt. “Dann beantworte ich Ihre ursprüngliche Frage. Sie fragten, weshalb dunkle Zauberer und Hexen Angst vor dem Tode haben. Versuchen Sie sich für einen kurzen Moment vorzustellen, nur vorzustellen, dass Sie wirklich an Seelen glauben würden. Stellen Sie sich vor, jeder könnte die Existenz einer Seele jederzeit ohne Probleme feststellen, stellen sie sich vor, niemand würde jemals auf einer Beerdigung weinen, denn man weiß ja, dass der Tote immer noch da ist. Können Sie sich jetzt vorstellen, dass man eine Seele zerstören könnte? Sie zerreißen, sodass nichts mehr da ist, was sich auf den Weg ins nächste große Abenteuer machen könnte? Können Sie sich vorstellen, was für ein unvorstellbares Verbrechen das wäre? Was würden Sie tun, um dafür zu sorgen, dass es auch nur ein einziges Mal nicht geschieht? Denn das ist das wahre Wesen des Todes. Die Auslöschung der Seele!”
Der alte Zauberer starrte ihn an. Traurigkeit lag in seinem Blick. “Ich denke, dass ich jetzt verstehe.”, sagte er ruhig.
“Oh?”, sagte Harry. “Was verstehen Sie?”
“Voldemort”, sagte Dumbledore. “Ich verstehe ihn endlich. Denn um zu glauben, dass die Welt wirklich so sei, muss man davon überzeugt sein, dass es keine Gerechtigkeit gibt. Dass das grundlegende Gefüge allen Seins aus Finsternis gewoben ist. Ich habe dich gefragt, weshalb er zu einem Monster wurde und du konntest mir keinen Grund nennen. Und wenn ich ihn fragen könnte, würde ich vermuten, dass seine Antwort lautete: Warum nicht?”
Sie standen da, dem anderen in die Augen starrend. Der alte Zauberer in seinen Roben, der Junge mit der blitzförmigen Narbe auf der Stirn.
“Sag mir Harry,” fragte Dumbledore, “wirst du ein Monster werden?”
“Nein”, sagte Harry, mit eiserner Zuversicht in seiner Stimme.
“Warum nicht?”, fragte der alte Zauberer.
Harry nahm Haltung an und sprach: “Es gibt keine Gerechtigkeit in den Gesetzen der Natur, keinen Term für Fairness in den Gleichungen der Bewegung. Das Universum ist weder böse noch gut, es ist schlicht gleichgültig. Den Sternen bedeuten wir nichts, ebensowenig der Sonne oder dem Himmel. Aber das ist nicht von Belang! Wir sind uns nicht egal! Es gibt ein Licht in dieser Welt und dieses Licht sind wir!“
“Ich frage mich, was aus dir werden wird, Harry Potter”, sagte der alte Zauber, mit einer seltsamen Mischung aus Verwunderung und Bedauern. “Ich wünsche mir lange genug zu leben, um es sehen zu können.”