Einleitung

Was verbindet Humanisten außerhalb der harten Fakten von Wissenschaft und Forschung? Auf welche Weise sind Humanisten einander ähnlich und bilden eine gemeinsame Identität, eine Community, eine Gemeinschaft?
Was ist die evolutionär-humanistische Kultur, oder vielmehr, was könnte sie sein?

Eine solche Kultur hat vielfältige Aspekte: Von Ethik- und Moralvorstellungen, über Lebensweisen und Elemente des Alltags, gemeinsame sprachliche Muster und typische Denkweisen, bis hin zu ganz konkreten Ausprägungen der Kultur, beispielsweise in künstlerischer Form in Geschichten, Musik, Filmen, und in gemeinsamen Feiern, Festen und Ritualen.

All diese Elemente transportieren nicht in erster Linie bloße Informationen und harte Fakten, sondern vermischen sie mit Emotionen und Narrativen, mit Atmosphäre und Geschichten. Das steht zunächst einmal scheinbar im Widerspruch mit dem Ziel eines naturalistischen Humanisten, sich ein klares und faktenbasiertes Bild der Welt zu schaffen. Doch Menschen sind nun einmal so gestrickt, dass sie Geschichten und Gefühle besonders gut aufnehmen, und sich auf diese Weise auch Ideen und Konzepte nachhaltig verarbeiten und verinnerlichen lassen. Dadurch können auch Informationen, die uns bereits rein sachlich bekannt sind, tiefer in unserem Denken verankert werden und besser mit der eigenen Persönlichkeit in Einklang gebracht werden.

Feste und Zeremonien

Feiern und Zeremonien bilden einen zentralen Teil unserer Kultur. Sie verbinden Menschen, bringen Freude und erinnern uns an einen bestimmten Sinn, der häufig kulturell schon seit Jahrhunderten oder Jahrtausenden verwurzelt ist. Viele Feste sind eng mit religiösen Traditionen verbunden, gleichzeitig finden sich allerdings auch Gemeinsamkeiten über kulturelle und religiöse Grenzen hinweg, die auf ein Grundbedürfnis oder eine inhärente Tendenz der Menschheit hinweisen mögen. Sich zu fragen, welche Wirkung diese Feiern auf Menschen haben und wie sie evolutionspsychologisch entstanden sein könnten, bietet viele interessante Erkenntnisse. Und kreative Humanisten können auch ihre eigenen Feiern und Inhalte entwickeln, um das Bedürfnis nach Gemeinschaft und Zelebrierung zu erfüllen und die Gemeinschaft zu stärken, ohne dabei religiöse Irrungen zu reproduzieren.

Christliche Feiern wie Weihnachten und Ostern durchdringen die gesamte Gesellschaft. Auch viele nichtreligiöse Menschen finden sich zu Weihnachten mit ihrer Familie zusammen, genießen die Gemütlichkeit im Kerzenschein, machen sich gegenseitig mit Geschenken eine Freude oder genießen einfach nur ein gutes Essen. Selbst in nichtreligiösen Familien wird zuweilen zu Ostern Schokolade versteckt oder Eier bemalt. Und die zahlreichen herbstlichen Feierlichkeiten zur guten Ernte finden eine stark gewandelte neue Erscheinung in Halloween. Besonders für Kinder sind diese und weitere Feiern ein Objekt großer Vorfreude, aber auch manche Erwachsene haben Spaß daran, ihre Wohnungen zu dekorieren oder die Athmosphäre der Feierlichkeit zu genießen. Wenn Feste mit einem Sinn verbunden sind, der auf irgendeine Weise humanistisch ist – und sei es auch nur die Freude an der Gemeinschaft oder die Hoffnung auf eine bessere Zukunft – können sie als humanistische Feier einen schönen Beitrag zum Leben liefern, zumindest für jene, die Lust darauf haben und Freude daran empfinden.

Humanistische Feiern in der Praxis

Einige Humanisten in Berlin haben sich gemeinsam Gedanken gemacht, wie eine humanistische Feierkultur ganz konkret aussehen könnte, und ihre Gedanken auf dieser Seite niedergelegt. Seit 2015 feiern wir regelmäßig die Säkulare Wintersonnenwende, die anderen Feiern kamen nach und nach dazu.

Für alle Feiern gibt es auf dieser Seite Materialien: Zunächst eine generelle Beschreibung der Idee und des Konzepts der Feier, dazu eine Art ‘Anleitung’ mit Vorschlägen dazu, wie eine solche Feier ausgestaltet werden kann, und umfassende Materialien in Form von Texten, Essays, Liedern und anderen Beiträgen, um die Feier mit Inhalt zu füllen.

Die Feste im Jahreslauf

Zum Blütenfest oder Frühlings-Äquinoktium genießen wir das frische Erblühen der Natur. Zwischen Blumen und unter Kirschbäumen beschäftigen wir uns mit Dingen, die völlig neu sind: Neue Kulturen, neue Ideen, neue Kenntnisse oder Fertigkeiten, neue Menschen, die wir kennen lernen. Wir versuchen, aus unseren festgefügten Routinen und Gewohnheiten auszubrechen und etwas völlig Unbekanntes auszuprobieren, und dabei Offenheit für das Fremde zu praktizieren. Anlässlich des Frühlings-Äquinoktiums treffen wir uns draußen und lassen uns gegenseitig an neuen Entdeckungen und Erkenntnissen teilhaben, zum Beispiel in Form von kleinen Vorträgen und Workshops.

Die Sommersonnenwende oder Secular Summer Solstice zum 21. Juni ist ein Fest, das die Kraft der Zusammenarbeit in den Mittelpunkt stellt. Wir treffen uns draußen in der Natur und feiern die Stärke der Gemeinschaft, Freude am Leben, Kooperation und Freundschaft. Wir genießen das Privileg, am Leben zu sein, und begeistern uns für die Taten, die wir mit anderen gemeinsam vollbringen können, wenn wir unsere Kräfte vereien, uns gegenseitig vertrauen und zusammenarbeiten.
Der 21. Juni ist zugleich der Welthumanistentag, für den zahlreiche humanistische Gruppen Veranstaltungen organisieren.

Zum Herbst-Äquinoktium (auch genannt Nachtgleiche) demaskieren wir die Schreckgespenster, die uns am klaren Denken hindern. Wir wenden uns den Hexen, Teufeln und Dämonen unserer Zeit zu und konfrontieren unsere Ängste. Wir entlarven Vorurteile, ideologische Verblendung und toxisches Gruppendenken, um schließlich zu erkennen, wie leicht wir Heuristiken und Fehlannahmen auf den Leim gehen und dass die “Anderen” unter der Maske auch nur Menschen sind. Wir konfrontieren die eigenen ideologischen Gegner und lernen, ihre Perspektiven einzunehmen. Und natürlich gibt es auch Kürbisse und Süßigkeiten.

Die Wintersonnenwende oder Secular Winter Solstice findet um den 21. Dezember herum statt und ist vielleicht das ernsthafteste humanistische Fest. Wir richten unseren Blick hinaus in das kalte und gleichgültige Universum, in dem es keine höheren Mächte gibt, die uns beschützen könnten. Wir denken an unsere eigene Sterblichkeit und die Fragilität unserer Gesellschaft. Aber wir feiern auch den Willen der Menschheit, gegen alle Hindernisse ein Licht in der Dunkelheit zu entzünden, dem Tod die Stirn zu bieten, eine bessere Welt zu schaffen und sogar zu den Sternen zu reisen.

Weitere Feiertage

Humanisten können sich natürlich sehr gut an anderen Feiertagen beteiligen, die mit den humanistischen Werten und Idealen übereinstimmen. Hier sind einige Beispiele:

  • Darwin Day (12. Februar)
  • Tag der Kosmonauten / Internationaler Tag der benannten Raumfahrt (12. April), auch ein Fest für Informationsfreiheit
  • Earth Day (22. April)
  • March for Science (22. April)
  • Internationaler Tag der Pressefreiheit (3. Mai)
  • World Humanist Day (21. Juni / Sommersonnenwende)
  • Weltfriedenstag (21. September)
  • Beim “Marsch für das Leben” stellen sich Humanisten häufig christlichen Abtreibungsgegnern entgegen (September)
  • Petrov Day (26. September), Jubiläum des durch Petrov verhinderten Atomkriegs
  • Evolution Day (24. November)
  • Human Rights Day / Tag der Menschenrechte (10. Dezember)

Mitmachen und selbst gestalten

Die Texte und Anregungen auf dieser Website sind als Ideen und Vorschläge gedacht. Wir würden uns freuen, wenn sie anderen dabei helfen, ihre eigenen Feiern zu veranstalten. Natürlich können all diese Vorschläge auf vielfältige Weisen verändert, angepasst und neu erdacht werden. Wir wünschen viel Spaß und freuen uns auch über Rückmeldungen und jede Art von Beitrag!